Gedanken zur Weltfriedensbotschaft von Papst Franziskus 2022

Seit 1968 wird von der katholischen Kirche der 1. Jänner als der Weltfriedenstag gefeiert und seit damals wird zu diesem Weltfriedenstag eine Weltfriedensbotschaft des Papstes veröffentlicht. Das Thema bilden die jeweiligen Herausforderungen für den Frieden. Friede ist ja in den Augen der Päpste immer Gabe Gottes und Aufgabe des Menschen in dichter Verschränkung. Und der Friede ist immer auch bedroht. Dass dem so ist, kann man an den Krisenherden der Weltpolitik sehen, sei es in der Ukraine, sei es in Afghanistan, sei es in Bosnien. Diese Krisenherde stellen gewichtige Herausforderungen für Politik und Diplomatie dar. Es würde aber zu kurz greifen, Friedensbemühungen nur auf diese Brennpunkte zu konzentrieren. Papst Franziskus blickt in seiner heurigen Botschaft, der 55. Weltfriedensbotschaft, tiefer, über die aktuellen Konflikte hinaus auf Grundlagen des Friedens, die politischen Lösungsansätzen vorausliegen. Er nimmt den Ausgang in seiner „Architektur des Friedens“, wie er schreibt, bei den Grundfesten, die das Gebäude des Friedens tragen. Wörtlich schreibt er: „Es gibt in der Tat eine >Architektur< des Friedens, in der verschiedene gesellschaftliche Einrichtungen einen Beitrag leisten, und es gibt ein >Handwerk< des Friedens, das jeden von uns in erster Person miteinbezieht.“ Solche Grundfesten sieht er im Dialog zwischen den Generationen, in der Bildung und in der Arbeit und an ihrer Ausbildung müssen alle mitarbeiten. Damit spricht er zugleich Bereiche an, die in unserer Zeit der Pandemie besonders bedroht, aber ebenso notwendig sind.

Der Dialog ist angesichts der Lagerbildungen nicht nur im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen etwa besonders notwendig, er scheint aber ebenso schwierig zu sein, und das trotz oder gerade wegen der sozialen Kommunikationsmittel. Sehr oft geht man, ohne die Position des anderen und seine Gründe dafür zu kennen, davon aus, dass er im Unrecht ist, man also mit ihm nicht zu reden braucht. Vielerorts macht sich ein Unbehagen daran breit, dass die Stimme des anderen, der nach der eigenen Anschauung doch nur Unsinn verzapft, gleich viel gilt wie meine Stimme, die doch viel durchdachter und moralisch hochstehender ist. Dieses Unbehagen ist eine Gefahr für die Demokratie und führt dazu, dass das „harte und unfruchtbare Erdreich des Konflikts“ hart bleibt. Durch einen auf den anderen eingehenden Dialog, in dem der andere gehört und mit Respekt behandelt wird, könnte eine Lockerung des Erdreiches erfolgen, auf dem Friede gedeihen kann. Es bedarf also des Bemühens um einen über Generationen und Konfliktgruppen hinweg geteilten Sinn, eine Verbindung von Vergangenheit und Zukunft in der Bewältigung der Gegenwart. „Die gegenwärtige Gesundheitskrise hat bei allen das Bewusstsein für die Einsamkeit und für das In-sich-Kehren verstärkt.“ (2) Einsamkeit bei den Älteren, Ohnmachtsgefühle bei den Jungen sind die Konsequenz. Spaltung, aber auch Mitgefühl und Mitdenken lassen sich feststellen. Hier können wir ansetzen und einen verbindenden Dialog in vielen Punkten wieder neu lernen. „Dialog führen bedeutet anhören, sich auseinandersetzen, übereinkommen und miteinander vorangehen. Dies alles unter den Generationen zu fördern heißt, das harte und unfruchtbare Erdreich des Konflikts aufzulockern, um die Samen eines dauerhaften und gemeinsam vertretenen Friedens zu kultivieren. Während der technische und wirtschaftliche Fortschritt die Generationen oft einander entfremdet hat, zeigen die gegenwärtigen Krisen die Notwendigkeit ihres Zusammenspiels. Einerseits brauchen die jungen Menschen die Lebens-, die Weisheits- und die geistliche Erfahrung der Älteren; andererseits haben die Älteren die Unterstützung, die Zuneigung, die Kreativität und die Dynamik der Jungen nötig. Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und die Prozesse der Befriedung kommen nicht ohne den Dialog zwischen den Hütern des Gedächtnisses – den älteren Menschen – und denjenigen, die die Geschichte voranbringen, – der Jugend – aus. Ebenso braucht es die Bereitschaft eines jeden, dem anderen Raum zu geben. Keiner darf sich anmaßen, die gesamte Szenerie abzudecken, indem man die eigenen unmittelbaren Interessen verfolgt, als ob es weder Vergangenheit noch Zukunft gäbe.“
Um das zu erreichen, bedarf es der Bildung: Der Papst stellt mit Bedauern fest, dass Mittel, die für Bildung und Erziehung Einsatz finden, als bloße Ausgaben, nicht als Investitionen in die Zukunft betrachtet werden. Dies führt dann dazu, dass die Ausgaben für Rüstung und militärische Zwecke steigen, die Bildungsinvestitionen sinken. Bildung und Erziehung müssen dabei so gestaltet werden, dass sie „Hauptträger einer ganzheitlichen Entwicklung“ (3) sein können. Um das zu erreichen, fordert der Papst einen „globalen Bildungspakt“: einen „Pakt, der die Erziehung zur ganzheitlichen Ökologie nach einem kulturellen Modell des Friedens, der Entwicklung und der Nachhaltigkeit fördern soll, in dessen Mittelpunkt die Geschwisterlichkeit und das Miteinander zwischen Mensch und Umwelt stehen.“

Bildung und Erziehung ermöglichen dem Menschen auch eine Arbeit, mit der er zur eigenen Verwirklichung in der Erbringung seines Beitrages zum Gemeinwohl mitwirken kann. Damit zeigt sich eine Bedeutung der Arbeit für den Frieden, die oft übersehen wird. „Arbeit ist in der Tat die Grundlage, auf der Gerechtigkeit und Solidarität in jeder Gemeinschaft aufgebaut werden können. Aus diesem Grund darf man »nicht danach trachten, dass der technologische Fortschritt immer mehr die menschliche Arbeit verdränge, womit die Menschheit sich selbst schädigen würde. Die Arbeit ist eine Notwendigkeit, sie ist Teil des Sinns des Lebens auf dieser Erde, Weg der Reifung, der menschlichen Entwicklung und der persönlichen Verwirklichung«. Wir müssen unsere Ideen und Bemühungen bündeln, um die Bedingungen zu schaffen und Lösungen zu finden, damit jeder Mensch im erwerbsfähigen Alter die Möglichkeit hat, durch seine Arbeit zum Leben der Familie und der Gesellschaft beizutragen.“ Die Verwirklichung des Rechtes zur Arbeit ist also eine wesentliche Grundlage des Friedens. Dazu muss an Arbeitsbedingungen gefeilt werden, die sich am Gemeinwohl und der Bewahrung der Schöpfung orientieren. Dies ist nicht nur eine Aufgabe von Einrichtungen wie der Arbeiterkammern, der Unternehmensverbände, direkt auf die Arbeit bezogener Institutionen. Es gilt Initiativen zu fördern, „die auf allen Ebenen die Unternehmen zur Achtung der grundlegenden Menschenrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drängen und dafür nicht nur die Institutionen, sondern auch die Verbraucher, die Zivilgesellschaft und die Betriebswelt sensibilisieren.“ Dabei sind diese Menschenrechte in der Arbeit nicht nur unter dem Aspekt zu sehen, dass sie großzügig von oben herab, vom Staat oder anderen Institutionen gewährt werden, sondern sie kommen dem Menschen als Menschen zu. Die Arbeit kann ein besonderes Realisationsfeld dieser Menschenrechte sein.

Es ist also eine interessante Basis, die Papst Franziskus in seiner Weltfriedensbotschaft anspricht. Es gilt „gemeinsam diese drei Wege zu beschreiten: Dialog zwischen den Generationen, Bildung und Arbeit. Mit Mut und Kreativität.“ (4) Mut und Kreativität werden wir brauchen, und diese werden wir als ÖAAB einbringen.